Um was es geht
Weil Studierende gemeinhin einer besonders hungrigen Spezies angehören und in der täglichen Praxis zugleich massive Defizite in der Lunchvorsorge demonstrieren, ist die österreichische Handelskette Spar dem klugen Impuls gefolgt, einen Minisupermarkt auf dem Campus der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) zu eröffnen.
Der passt sich unauffällig in die hochmoderne Lehr-, Forschungs- und Verwaltungsarchitektur auf dem 2013 eingeweihten Areal ein und hat sich schräg gegenüber des Audimax eine ideale Lage gesichert, um hungrige Geister direkt in seine Snackhöhle zu lotsen.
Weil’s aber schade wäre, die täglich um die diversen Theken herumschwirrende Fachkompetenz ausschließlich zur Umsatzsteigerung zu nutzen, hat Spar zudem eine Forschungskooperation mit dem universitätsansässigen Institut für Handel und Marketing eingetütet und den Laden im Frühjahr 2016 stolz zum „Digital Leadership Store“ aufgerüstet.
Sehen Sie mal, was da bei den aus diesem Anlass pappschildhaltenden Verantwortlichen für eine Party war:
Foto: © SPAR / Johannes Brunnbauer
„Die innovativen Technologien, die ab sofort den Testbetrieb starten, läuten ein neues digitales Zeitalter für den österreichischen Handel ein“,
schwärmte die Pressemitteilung dazu. Und behauptete, mit dem Laden stelle Spar „einmal mehr die Innovationsführerschaft im österreichischen Lebensmittelhandel unter Beweis“.
Für besagte Innovationsführerschaft braucht’s bei unseren Supermarktnachbarn offensichtlich nicht viel mehr als einen Satz moderner SB-Kassen ohne Bargeld-Annahme – und elektronische Regaletiketten, wie sie überall im Handel gerade zum Standard werden. Denn das sind im Wesentlichen die Neuerungen, die Spar in seinen „Leadership Store“ eingebaut hat, der im Grunde auch nicht viel mehr ist als ein aufgemotzter Rewe to Go, der halt ganz gut auf die Bedürfnisse der Kundschaft an Ort und Stelle abgestimmt ist.
In den Kühlregalen wird standardmäßig das Spar-„enjoy!“-Snack-Repertoire versenkt (das Supermarktblog-Lesern sicher noch bekannt vorkommt).
Im Zwei-Klassen-Brötchenknast mit Frischethekenanschluss wirbt „Backofenfrisches Gebäck“ um die Gunst der vorbeieilenden Vorlesungsversäumer.
Und die Traditionalisten unter den Wirtschaftsinfluencern von morgen können sich an einer der beiden Zahltresen problemlos persönlich abkassieren lassen. (Bevor sie die dafür eingeplanten Mitarbeiter in ihrem künftigen Job dann wegrationalisieren.)
Das eigentliche Highlight des Ladens wohnt aber in einem Kühlregal um die Ecke, auf dem (siehe Titelfoto oben) in großen Lettern steht:
„ABHOLUNG – Hier wartet deine Jause“
Wie es funktioniert
Die „Jause“ ist nicht nur der schönste Ersatzbegriff für das auch an dieser Stelle viel zu oft verwendete englische Pfuiwort „Snack“ – sondern, wenn’s nach Spar geht, auch eine ideale Gelegenheit, sich in den Smartphones der jungen Kundschaft einzunisten.
Dumm nur, dass die dazugehörige App (iOS, Android) dann halt doch „Snack away“ getauft worden ist. („Jause-Pause“ wäre wirklich deutlich charmanter gewesen.)
Weil’s auch im Handel aber auf die inneren Werte ankommt, erklärt Spar kurz und knapp, was die App Tolles kann:
„Mit SPAR Snack away stellst du dir dein persönliches Weckerl mit einem interaktiven Konfigurator und deinen Lieblingszutaten zusammen. (…) Und das Ganze ohne Wartezeit an der Feinkosttheke.“
Nach dem App-Start lassen sich über den „Weckerlkonfigurator“ (ja-ha!) Brotsorte, Wurstbelag, Käsesorte, Bonusgemüse und Aufstrichart per Fingerwisch auswählen: also z.B. ein „Spar Natur Bio Mohnflisserl“ mit „Prosciutto Borgoforte luftgetrocknet 40g“, „Woerle Emmentaler 25g“, „Lollo Verde und Ei geschnitten“ und drunter „Liptauer-Aufstrich mild 10g“ für 2,88 Euro.
Ab damit in den Warenkorb, Getränk, Obst oder Schokolade dazu bestellen, Abholzeit auswählen und Email-Adresse angeben – fertig.
Rechtzeitig zur gewünschten Abholzeit unterbricht der freundliche Spar-Frischetheken-Mitarbeiter seine Leadership-Store-Tätigkeit dann kurz, um das fantasievoll kombinierte Weckerl zu schmieren, einzutüten und ins Abholregal zu stellen – wo die Mittagsjause in der Mittagspause mit passendem Bestellcode abgeholt und an der daneben gelegenen „Expresskassa“ bezahlt werden kann.
Wer sich nicht so recht entscheiden kann, darf sein „Weckerl verwerfen“ – und kann später nochmal neu starten.
Die (von Dotsandlines schick designte) App ist in Zusammenarbeit mit Studenten der WU entwickelt worden, nachdem diese die hochwissenschaftliche Beobachtung gemacht haben, dass es zu Stoßzeiten zwischen den Vorlesungen an der „Feinkosttheke“ im Laden immer ziemlich lange Schlangen gab. Die Technik sollte helfen, Wartezeiten zu vermeiden.
Oder wie die Verfasserin der Abschlussarbeit – ganz die bescheidene Handelselite von morgen – im Universitätsblog schreibt:
„Mein Bachelorarbeitsthema ‚Marketingkonzepte zur Einführung einer Bestell-App im Lebensmitteleinzelhandel‘ könnte nicht praxisbezogener und zeitgetreuer sein.“
Natürlich. Eine Frage noch: Wie kommt die App denn überhaupt bei ihrer Zielgruppe an, so anderthalb Jahre nach ihrer Einführung? Großartig, sagt Spar auf Supermarktblog-Anfrage – und übergeht die Frage nach der Zahl bzw. Größenordnung der per App erfolgten Bestellungen. Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann erklärt ganz allgemein:
„Wir sind sehr zufrieden mit der Jausen-App. Sie wird gut genutzt und entlastet unsere Mitarbeitenden vor Ort.“
In anderen Spar-Märkten ist diese Entlastung bislang offensichtlich noch nicht notwendig:
„Wir planen grundsätzlich schon, diese App auch in anderen Märkten anzubieten. Aber derzeit ist das nur eine Idee, es gibt keinen konkreten Plan, diese App tatsächlich auch woanders einzusetzen, weil, wie wir gelernt haben, es dazu eben genau dieses Umfeld benötigt.“
Also: hungrige Studierende, die während der Vorlesung mal kurz den ollen Professor Professor sein lassen, um sich auf dem Telefon noch eilig ein passendes Jausenweckerl für die Pause zusammenzuswipen. Hier sind sie schon alle auf dem Weg:
Warum das wieder weg kann
Tatsächlich dauert es kurz nach dem Ende einer Vorlesung zur Mittagszeit nur ein paar Minuten, bis der Minisupermarkt vollständig kundenbeschwärmt ist und sich sogar an der „Expresskassa“ kleine Schlangen bilden, bevor Sandwiches, Säfte und Süßwaren in die Campussonne raus geschleppt werden – ich hab’s mir neulich selbst angesehen.
Bloß das Regal, das für die „Snack away“-App-Bestellungen reserviert ist, sah bis kurz vor der Kundenexplosion aus wie das Jahrestreffen des österreichischen Platzhalter-Verbands:
Kann natürlich sein, dass an diesem Mittag sämtliche WU-Studenten noch mitten im jährlichen App-Fasten gesteckt haben – oder zur Vorbeugung von Lebensmittelverschwendung erst die verpackten „enjoy!“-Fertigsnacks aus der Kühltheke geangelt, um sie vorm Erreichen ihres Mindesthaltbarkeitsdatums zu bewahren.
Entweder das – oder die tolle „Snack away“-App von Spar, die sich in der Theorie wie eine richtig gute Sache hört, ist in der Praxis gar keine.
Weil zwar auch Smartphone-besitzende Studierende mittags ein lecker belegtes Sandwich verdrücken wollen, aber (womöglich zurecht) der Auffassung sind, dass es ja wohl Job des örtlichen Campus-Supermarkts sein müsste, in dieser Hinsicht mal ein bisschen Leadership an den Tag zu legen und für eine ansprechende Frischeauswahl zu sorgen.
Fotos: Supermarktblog
aber eine app zu entwickeln ist doch eine einmalige investition! wenn man dauerhaft jemanden zum brötchenschmieren einstellen (und dann bezahlen!) müsste, damit zur mittagszeit genug semmeln gebuttert sind, wäre das doch viel teurer. da kann sich der student von heute ja wohl mal ein bisschen nach den bedürfnissen des unternehmens richten! 😉
Sie haben das glaube ich missverstanden. Da wird schon noch handgeschmiert, das kann die App vermutlich auch auf absehbare Zeit nicht ersetzen.
ne keine sorge.
mein erster gedanke war nur, dass wenn ich keine on-demand-herstellung mache ich mehr manpower werde brauchen müssen. langfristig (zumindest wenn es angenommen wird) ist das doch vermutlich eher eine rationalisierungs- als eine kundenzentriertheitsmaßnahme, oder?