Frische Lebensmittel direkt vom Erzeuger, keine Zwischenhändler, höchste Qualität: So wirbt der Lebensmittel-Lieferdienst Knuspr seit seinem Start in mehreren deutschen Regionen für sich. Und seit diesem Donnerstag liefert der Bringmeister-Nachfolger dieses Versprechen auch – via Amazon.
Die am Morgen bekannt gegebene Kooperation sorgt dafür, dass zunächst Amazon-Nutzer:innen in Berlin Lebensmittel bei Knuspr bestellen können, ohne dort ein eigenes Kund:innenkonto anlegen zu müssen. Auf der Startseite und in der App verspricht eine Highlight-Kachel:
„Spare 10€ auf Supermarkt & Hofladen Highlights“
Die Partnerschaft ist gleichzeitig naheliegend – und überraschend.
Wettbewerber auf derselben Plattform
Naheliegend unter anderem, weil Knuspr-CEO Mark Hübner vor seinem Wechsel zur Muttergesellschaft Rohlik über längere Zeit bei Amazon mit der Führung des deutschen Lieferangebots Amazon Fresh betreut war – was bei der Anbahnung der Zusammenarbeit eine große Hilfe gewesen sein dürfte.
Knuspr wird hoffen, über Amazon ein erweitertes Kund:innen-Klientel zu erreichen, und auf diese Weise seine Logistik besser auszulasten. Hübner hat bereist angekündigt, die Kooperation auch auf die Standorte Frankfurt und München ausweiten zu wollen, wo Knuspr aktiv ist. Und auch für den für 2025 geplanten Start in Hamburg dürfte die Amazon-Partnerschaft bereits fest eingeplant sein.
Für Amazon ist die Zusammenarbeit folgerichtig, weil der Handelsriese schon seit längerem darauf setzt, Lieferungen von frischen Lebensmitteln über so genannte „Storefronts“ zu ermöglichen, die externen Partnern Zugang zur Plattform geben.
Dort stehen sie dann im Zweifel nicht nur in Konkurrenz zu anderen Marktplatz-Anbietern, sondern auch zum selbst betriebenen Lieferdienst Amazon Fresh. In Großbritannien lebende Amazon-Kund:inenn können bspw. über die „Grocery“-Option im Menü auswählen, ob sie taggleich mit Produkten der Supermarktketten Morrisons, Iceland oder von Amazon Fresh beliefert werden wollen. (Nach vorheriger PLZ-Auswahl.)
Verschleppte „Storefront“-Strategie
In Deutschland hat Amazon diese Strategie – trotz mehrerer potenziell geeigneter Regionalpartner – bislang nur sehr eingeschränkt umsetzen können: Einziger Partner mit separater Supermarkt-„Storefront“ war bis zum heutigen Tag die hessische Supermarktkette Tegut, die Lebensmittel über ausgewählte Märkte in Ballungsräumen ausliefern lässt – und zwar: mit der von Amazon betriebenen Logistik, um sich den Aufbau einer eigenen zu sparen.
Bei Knuspr verhält es sich nun (wenn ich mich nicht irre: erstmals) anders. Denn Knuspr liefert die über Amazon getätigten Einkäufe selbst aus – und zwar in denselben Zeitfenstern, die auch Bestandskund:innen zur Verfügung stehen.
Die Preise für die bestellbaren Produkte (zu denen auch die Knuspr-Eigenmarken gehören) scheinen derzeit genauso hoch zu sein wie über den Knuspr-eigenen Shop.
Bei Exciting Commerce stellt Jochen Krisch dazu passend die interessante Frage: „Hat Knuspr Sonderkonditionen bekommen? Denn schließlich dürfte niemand die wunden Punkte von Amazon (Fresh) besser kennen“ – und wissen, welche Provisions- und Marketingkonditionen man dem US-Riesen als Marktplatzpartner abringen kann.
Wie differenziert Fresh sich noch?
Möglicherweise sind die Kosten, die Knuspr mit Kommissionsgebühren an Amazon entstehen, aber auch vergleichbar mit dem finanziellen Aufwand, der sonst zur Neukund:innenakquise nötig wäre. Auf die von Knuspr-Chef Hübner in Aussicht gestellte Werbekampagne, um neue Kund:innen außerhalb des übernommenen Bringmeister-Stammklientels zu gewinnen, hat die Rohlik-Tochter in Berlin bislang interessanterweise verzichtet.
Anfang Oktober wurden für Hauptstadt-Kund:innen dafür die anderswo bereits üblichen 15-Minuten-Lieferfensterbuchungen eingeführt, bei denen Einkäufe innerhalb einer ausgewählten Viertelstunde angeliefert werden. Taggleich funktioniert das schon ganz gut. Bei Zeitfenstern, die z.B,. für den nächsten Morgen gebucht werden, hat Knuspr allerdings so seine Probleme und taucht gerne auch deutlich früher auf. (Mehr dazu demnächst im Blog.)
Trotzdem bleiben viele unbeantwortete Fragen:
Für Amazon Fresh, das (fast) den gleichen Mindestbestellwert wie Knuspr hat, für die Kostenlos-Lieferung ab 80 Euro aber nach wie vor (und anders als im Ausland, siehe Supermarktblog) eine Prime-Mitgliedschaft voraussetzt stellt sich die Frage, wie man sich eigentlich künftig differenzieren will. Zumal Preise – etwa bei Partnerprodukten von Alnatura – für Besteller:innen durch den Wettbewerb mit Knuspr zunehmend vergleichbarer werden.
Viele offene Fragen
Aber mehr noch für Knuspr: Kann es gelingen, regelmäßige Amazon-Besteller:innen in den eigenen Shop zu transferieren, um sie dort z.B. zu Premium-Mitgliedern zu konvertieren und in den Familien-Club zu locken? (Die mit den beiden Programmen verbundenen Rabatte sind via Amazon nämlich nicht verfügbar.)
Könnte es langfristig zum Bumerang werden, Amazon Einblick in das Bestellverhalten der Knuspr-Kund:innen und deren Präferenzen zu geben, die sich mit eigenen Angeboten kontern lassen?
Und läuft Knuspr mittelfristig Gefahr, sich mit einer sorgsam aufgebauten Positionierung als eigenständige Alternative zu etablierten Handelsketten unglaubwürdig zu machen, wenn man sich ausgerechnet mit Amazon auf eine Kooperation einlässt? Was sagen überhaupt die regionalen Partner und Landwirt:innen dazu, dass ihre Produkte künftig auch auf der Plattform auftauchen, die so ziemlich für das Gegenteil von Regionalität steht?
Aus Akquisesicht mag der Deal ein cleverer Schachzug sein. Doch während Knuspr seine Waren bisher direkt vom Erzeuger holte, führt der Weg zur Kundschaft nun zumindest teilweise ausgerechnet über den größten Zwischenhändler der Welt.
Nachtrag, 8. November: Die neue Zusammenarbeit zwischen Knuspr und Amazon beginnt eher hakelig: In einem Mailing vom Freitagmorgen informiert Amazon seine Berliner Kund:innen über den neuen Lieferpartner und behauptet: „lass dir deine Einkäufe von montags bis samstags innerhalb von einer Stunde direkt zu dir nach Hause liefern“. Das ist falsch: Knuspr-Lieferungen kommen, wie bisher, frühestens ab drei Stunden nach der Bestellung, und dann in 1-Stunden-Zeitfenstern (bzw. bald auch in den neuen 15-Minuten-Zeitfenstern, wie Knuspr bestätigt).
Dazu kommt, dass Amazon-Kund:innen aktuell Prime-Mitglied sein müssen, um bei Knuspr zu bestellen, dann aber dieselben Konditionen (39 Euro Mindestbestellwert, ab 79 Euro Kostenlos-Liefreung) erhalten wie alle, die ohne Zusatz-Abo direkt bei Knuspr ordern.
Genau genommen ist das Angebot sogar etwas schlechter: Tabakprodukte und Apothekenprodukte gibt es bei „Knuspr auf Amazon“ nicht. Knuspr erklärt: „Einzelne Serviceangebote wie die 15-Minuten-Lieferfenster und unsere ‚Rette Lebensmittel‘-Angebote sind zum Start ebenfalls noch nicht verfügbar, werden aber in den kommenden Monaten freigeschaltet.“
Nur, was habe ich davon, wenn mich Knuspr trotzdem nicht beliefern möchte, egal ob direkt oder indirekt via Amazon)? Garnix.
Amazon Fresh beendet seinen Service in Deutschland zum 14.12.2024
Amazon stellt den Fresh-Service zu Mitte Dezember ein. Die Lebensmittellieferung wird also outgesourcst. Amazon konzentriert sich auf die Provisionen, so wie sie es generell schon mit dem Marketplace vollziehen.
Knuspr, da war doch was. Das Angebot ist ja mittlerweile nicht mehr so überschaubar wie zum Start, aber jenseits der Handelsmarken häufig schlicht nicht konkurrenzfähig.
Neulich wollte ich Snacks bestellen & habe nicht schlecht gestaunt, als mir die tschechischen Münchner:innen doch tatsächlich eine 275-g-Dose Designerkartoffelchips zum Schnäppchenpreis von nur 25 Euro vorschlugen. Ist das das Leuchtturm-Lockangebot, das mich dazu bringen soll, meinen Wocheneinkauf bei Knuspr zu tätigen?
In meinem Fall hatten es dann auch die kusprigen „Jeden-Tag“-Chips schwer, den Weg in meinen virtuellen Einkaufswagen zu finden, da diese immer noch teurer als die „ja“-sagenden Chips von Flink waren. Die flinken Chips kamen dann auch tatsächlich innerhalb einer Stunde, & das wären sie wohl auch schon, als an Knuspr noch nicht zu denken & man stattdessen meisterhaft im Bringen war.
Knuspr hat Bringmeister vor mittlerweile rund sieben Monaten ausgeknipst, es aber bis zum heutigen Tag nicht geschafft, sich selbst als vollwertigen Ersatz zu etablieren. Ob die künftige Lieferung innerhalb einer Stunde die bittere Pille der Apothekenpreise deutlich genug versüßt, um Knuspr zum Durchbruch zu verhelfen, bezweifle ich persönlich stark. Aber da Konkurrenz ja bekanntlich das Geschäft belebt, wünsche ich den blau-weiß rautierten Tschechinnen & Tschechen natürlich dennoch viel Glück. Sie werden’s sicher brauchen.
Die Kooperation mit Amazon erstreckt sich nach Aussage zweier Lieferanten in Rhein-Main auch auf die Logistik. Inklusive Warnung der Herren, eine Lieferung von Amazon besser nicht anzunehmen, da deren Wägen die Kühlkette nicht einhalten könnten.Hören-Sagen, klar, aber Scheinbar wurde das lokale Personal zum Ende des Jahres gekündigt und tschechische Subunternehmer übernehmen die Lieferung. In Berlin und München ist der Versuch mit Amazon auch wohl schon gescheitert, da es zu Cahos kam. Bin gespannt wie es weitergeht, der Top Service, freundliche Lieferung, auch wirklich an die Haustüre war ja wirklich mal ein USP.