Für die Anti-Foodwaste-App Too Good to go wird 2024 auf den letzten Metern noch zu einem Jahr der Abschiede. Denn nach Informationen des Supermarktblogs verabschiedet sich ein weiteres Handelsunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum von der Partnerschaft mit dem Start-up: Alnatura.
Auf Anfrage des Supermarktblogs bestätigt der hessische Bio-Händler, dass die „über fünfjährige partnerschaftliche, gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zum Ende des laufenden Jahres beendet wird. Dies gelte für alle Alnatura Märkte.
Bereits in den vergangenen Monaten habe man die Anzahl der Too-Good-to-Go-Tüten reduziert. Konkrete Gründe für das Ende der Zusammenarbeit will man nicht nennen.
„Der verantwortungsvolle Umgang mit Lebensmitteln ist und bleibt aber selbstverständlich weiterhin unser Ziel“, erklärt eine Alnatura-Sprecherin. Und weiter:
„Daher hat Alnatura – um der Lebensmittelverschwendung von Grund auf vorzubeugen – die Bestellprozesse auch im Obst- und Gemüse-Bereich und bei der Bäckerei nochmals optimiert.“
Billa verkauft „Rettersackerl“ ohne App
Der Schritt folgt nur wenige Monate nach einer ähnlichen Entscheidung des österreichischen Händlers Billa. Dieser hatte die Partnerschaft mit Too Good To Go ebenfalls beendet und setzt stattdessen auf sein eigenes Konzept namens „Rettersackerl“. Für 3,50 Euro können Kunden in den Filialen nun direkt im Laden – ohne vorherige App-Reservierung – 3,5 Kilogramm Obst, Gemüse oder Backwaren erwerben, die sich nicht mehr regulär verkaufen lassen.
Too Good To Go ist in den vergangenen Jahren für viele Supermärkte und Discounter zu einem wichtigen Instrument geworden, um Engagement gegen Lebensmittelverschwendung zu demonstrieren.
Netto (mit Hund) mit allen 343 Filialen sowie ausgewählte Edeka- und Rewe-Händler sind an Bord. Wie hoch die Zahl der Supermärkte und Bäckereien insgesamt ist, die mit Too Good to Go zusammenarbeiten, kommuniziert das Start-up derzeit nicht und nennt lediglich die Gesamtzahl der Partnerbetriebe (26.000). Supermärkte und Bäckereien seien neben Tankstellen in Deutschland aber die größten Segmente und in etwa gleich groß.
Seit Juli liefert das Start-up überschüssige Produkte bekannter Hersteller zudem direkt zu seinen Nutzer:innen nachhause.
Vielfach dürfte Too Good To Go von Handelshäusern aber auch als reines Marketing-Werkzeug genutzt worden sein, um sich öffentlichkeitswirksam, gegen Lebensmittelverschwendung zu positionieren.
Ein willkommenes Marketing-Werkzeug
In manchen Fällen lag die Vermutung nahe, dass die per App zu erwerbenden Überraschungstüten schon lange vor Ladenschluss extra zusammengestellt wurden, damit Präsenz auf der Plattform gezeigt werden konnte. Da sich inzwischen aber quasi alle Marktteilnehmer offensiv gegen Verschwendung aussprechen und entsprechende Initiativen verfolgen, dürfte dieser Vorteil zuletzt geschrumpft sein.
Dazu kommt, dass für Partner pro verkaufter Tüte Transaktionsgebühren anfallen und eine Provision für Too Good To Go gezahlt werden muss.
Bei Billa kosten die „Rettersackerl“ nun 1,49 Euro weniger als die zuvor per App reservierbare Variante (allerdings hat sich auch der angegebene Gesamtwarenwert reduziert); außerdem verknüpft die Handelskette, den Kauf mit der Gutschrift von jö-Bonuspunkten auf das virtuelle Konto der Kund:innen.
Bezeichnend ist zudem, dass einige große Marktteilnehmer wie Lidl in Deutschland von Anfang an auf eigene Initiativen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung setzten, statt mit der App zu kooperieren. in Österreich, hatte man eine Partnerschaft getestet, aber nicht landesweit ausgerollt. In den Niederlanden beendete Lidl die Kooperation wieder.
Spenden für den Gemeinnutz
Der Trend geht nun offenbar verstärkt in die Richtung, dass Händler ihre Bestellprozesse und Prognosen optimieren und/oder eigene Konzepte zur Weitergabe von Überschüssen etablieren. Damit gehen Sie zum Teil auf eine u.a. vom WWF geäußerte Kritik an Too Good to Go ein, dass mit dem Verfahren nur Symptome statt Ursachen bekämpft würden.
Paradoxerweise könnte die das Start-up langfristig zum Opfer des eigenen Erfolgs werden: To Good to Go hat das Thema Lebensmittelverschwendung zwar erfolgreich in den Fokus gerückt – aber Handelsunternehmen könnten verstärkt darauf setzen, das Problem an der Wurzel zu packen, statt mit externen Partnern zu kooperieren.
Derweil will Alnatura künftig auf direkte Spenden setzen: „Natürlich lassen sich Übermengen nicht immer gänzlich vermeiden“, so eine Unternehmenssprecherin:
„Alnatura spendet diese an gemeinnützige Organisationen, die wir bereits seit vielen Jahren unterstützen, wie beispielsweise die Tafel, Foodsharing oder Obdachlosenheime. Jeder Alnatura Markt arbeitet mit mindestens einer sozialen Einrichtung zusammen.“
Korrektur: Der Abschnitt über die Zahl der Partnerbetrebe wurde nachträglich korrigiert und ergänzt.