Wagt Edeka mit „Edeka Now“ doch noch einen Anlauf im Quick Commerce?

Wagt Edeka mit „Edeka Now“ doch noch einen Anlauf im Quick Commerce?

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Die Branche rätselt, wie es mit Flink und Getir weitergeht. Dabei formieren sich Uber Eats, Wolt & Co. zunehmend als Treiber im Quick Commerce. Und könnten eine große deutsche Supermarktkette, die bereits als E-Food-Späteinsteiger bekannt ist, als Partner gut gebrauchen.

Partner:

Ihren Zenith hat die Blitzzustellung von per App bestellten Lebensmitteln schon vor längerer Zeit überschritten. Seitdem Risikokapitalgeber:innen mit ihren Investitionen deutlich vorsichtiger geworden sind, ist in der Branche Ernüchterung eingekehrt.

Hierzulande sind derzeit alle Augen auf die mögliche Zukunft der verbliebenen Quick-Commerce-Anbieter gerichtet: Muss sich Getir mit Gorillas auf Geheiß von Mubadala Capital, dem Staatsfonds aus Abu Dhabi und einem der größten Anteilseigner, aus den europäischen Märkten zurückziehen und schrumpft zurück in seinen Ursprungsmarkt? Und wer kauft Flink, das der Profitabilität nahe sein soll, aber weiter hohe Summen benötigt, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Seltener wird gerade auf die Ambitionen von Plattformbetreibern wie Wolt, Uber Eats und Lieferando geschaut, die ja ebenfalls kontinuierlich an einer Ausweitung ihres Angebots für schnelle Liefer-Lebensmittel arbeiten (siehe Supermarktblog).

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Das mag daran liegen, dass dieses Engagement schwerer zu fassen ist, weil es derzeit regional stark variiert: Kooperationen gibt es oft vor allem mit lokalen Spätis oder spezialisierten Fachhändler:innen, die Lebens- und Genussmittel über die Plattformen der einstigen Restaurantlieferanten anbieten. Eigene Formate wie Lieferando Express und Wolt Market existieren, sind aber weiterhin die absolute Ausnahme.

Die Schnellbestellkundschaft verstehen lernen

Der Lebensmitteleinzelhandel begegnet all dem mit vorsichtiger Offenheit bzw. Skepsis – weniger mit Sorge, dafür dürften die in diesem Segment generierten Umsätze weiterhin zu gering sein.

Gleichzeitig sorgen Anbieter wie Wolt und Uber Eats aber dafür, dass sich der Markt weiterentwickelt: Kleinere Anbieter wittern ihre Chance und bauen eigene Delivery-only-Marken auf, um Süßes, Chips, Getränke, aber auch Obst, Gemüse, Backwaren und Fertiggereichte zu Kundinnen nachhause zu liefern, die nicht selbst einkaufen gehen und nicht lange warten wollen.

Deren Ausgaben landen nicht mehr bei den Supermärkten – für die es aber von großem Interesse ist, zu verstehen, von welchen Impulsen die Schnellbestellkundschaft getrieben ist (um sie ggf. wieder für sich zu gewinnen).

Am offensichtlichsten war bislang die Zurückhaltung von Deutschlands größtem Vollsortimenter: Edeka.

Während die allermeisten europäischen Supermarktketten in der Vergangenheit zumindest den Versuch einer Partnerschaft im Quick Commerce unternommen haben (und diese nachher im Zweifel auch wieder beendet), kam aus Hamburg – nichts. Offiziell hieß es, die Strategie von Edeka im Online-Lebensmittelhandel heiße Picnic.

Die Kaufleute profitieren nicht

Das Problem daran ist: Vor allem für die vielen selbstständigen Edeka-Kaufleute ist das sehr unbefriedigend, weil sie von dieser Strategie nicht (bzw. nicht unmittelbar) profitieren. Einzelne haben sich deshalb mit Bringoo zusammengetan, um Lebensmittel aus ihren Läden zustellen zu lassen; und in Berlin hat Wolt einige nah-&-gut-Kaufleute mit ihren Märkten an Bord geholt. Dazu wird an eigenen Liefer-Lösungen herumgebastelt.

Aber während Rewe frühzeitig in Flink investierte (und dort weiterhin als Großhandelspartner auftritt), kam aus der Zentrale des Wettbewerbers nichts, das sich zu einer regionenübergreifenden Lösung weiterentwickeln ließe.

Das könnte auch daran gelegen haben, dass – möglicherweise – eine Partnerschaft mit Foodpanda geplant war, aber nie umgesetzt werden konnte, weil Delivery Hero mitten im laufenden Roll-out seines Lieferdiensts die Notbremse zog und den Neustart Ende 2021 blitzabwickelte (siehe Supermarktblog).

Auch Foodpanda wollte einst „Essen. Einkäufe. Einfach alles“ liefern – und brauchte Partner; Foto Smb

Schon damals lautete der Anspruch, „Essen. Einkäufe. Einfach alles“ zu liefern. Genau darauf sind hierzulande nun Wolt, Uber Eats und Lieferando fokussiert – und sie entwickeln dafür unterschiedliche Strategien, die nicht mehr länger zwangsläufig über die eigenen App-Marketplaces funktionieren.

Uber bringt die Playstation aus dem Mediamarkt

Mit Wolt Drive und Uber Direct verfügen beide Anbieter inzwischen über so genannte White-Label-Lieferlösungen: Sie stellen ihre Kuruierfahrer:innen (die weiter vorrangig Restaurantessen ausliefern) Partnern zur Verfügung, die damit – auch außerhalb der Gastronomie – Waren innerhalb kürzester Zeit zu ihren Kund:innen zu bringen.

Die in Deutschland bislang bekannteste Partnerschaft dürfte die zwischen Uber und Mediamarkt sein, die von der Elektronikmarktkette derzeit in Ballungsräumen umfassend beworben wird: Wer auf mediamarkt.de oder saturn.de einkauft, kann beim Check-out die „Sofort-Lieferung“ als Option anwählen und erhält die bestellte Ware (sofern vorrätig) dann in „unter 90 Minuten“:

„Du hast es eilig und brauchst sofort neue Druckerpatronen oder gleich ein neues Smartphone? Bestell dein Wunschprodukt bequem von überall, Uber holt deine Bestellung im MediaMarkt ab und bringt sie schnell zu dir.“

Auch Burger King nutzt Uber Direct, um sein Fast Food über die eigene App verkaufen zu können: Dass das Essen nachher per Uber kommt, sehen die Kund:innen im Zweifel gar nicht.

Für die Elektronik-Sofortlieferung kooperiert Mediamarkt mit Uber; Foto: Smb

Mit Uber Direct wolle man „auch anderen Branchen Zugang zu unserer Technologie und dem Lieferservice verschaffen“, erklärt Uber. Händler profitieren, indem sie eine zusätzliche Zustelloption anbieten können; und die Plattformer, indem sie ihre Logistik besser auslasten.

Nächster Partner: Supermarkt?

Natürlich läge es nahe, dafür nicht nur mit Burgerrestaurants und Elektronikmärkten zu kooperieren – sondern auch mit einer bekannten Supermarktkette wie Edeka. Die könnte eine Bestellfunktion (regional begrenzt) entweder in ihre bestehende App integrieren oder eine eigene dafür entwickeln. Darüber getätigte Bestellungen ließen sich leicht in bestehenden Märkten kommissionieren und könnten von Kurierfahrer:innen des Partners zur Kundschaft gebracht werden – und zwar: mit voller Kontrolle über die Technologie.

Wie würden Sie einen solchen Service nennen? Vielleicht – „Edeka Now“?

Praktischerweise hat Edeka kürzlich Markenschutz für genau diesen Namen angemeldet, u.a. für „Versandhandelsdienstleistungen in Bezug auf Lebensmittel“. Damit ist natürlich noch nichts darüber gesagt, wofür genau die Marke verwendet werden soll oder ob sie überhaupt genutzt wird. (Oder ob’s doch eher „edk now“ wird.)

Es wäre aber in vielerlei Hinsicht sinnvoll, um Edeka als Späteinsteiger in einem Markt zu etablieren, der vielleicht nicht groß genug geworden ist, um die riesigen Summen wieder einzuspielen, die noch vor wenigen Jahren in unzählige Blitzliefer-Start-ups investiert worden sind – der aber für den Lebensmitteleinzelhandel als Convenience-Kanal interessant genug ist, um dort zumindest seine Finger im Spiel zu haben.

Sehr überschaubares Risiko

Wenn ich Edeka wäre, würde ich genau das tun: Edeka Now in Kooperation mit Uber Eats starten, Einkäufe über die eigene App aus teilnehmenden Edeka-Märkten kommissionieren und vom Partner ausliefern lassen; wenn das erfolgreich ist: das Angebot ausweiten bzw. auf dem App-Marktplatz des Partners spiegeln bzw. auf weitere App-Marktplätze ausweiten.

Genau so hat es die britische Supermarktkette Asda in Großbritannien in Kooperation mit Uber umgesetzt.

Natürlich käme hierzulande im Prinzip auch Wolt als Partner in Frage. Möglich wäre aber, dass der Rivale in Hellblau in Hamburg nicht allererste Wahl wäre, weil er zumindest oberflächlich auf eine Kooperation mit Rewe fokussiert zu sein scheint. (Das als Großhändler Wolt Market in Berlin beliefert und bei der Doordash-Beteiligung Flink an Bord ist.)

In jedem Fall ist das Risiko der oben skizzierten Lösung für Edeka überschaubar, weil es dafür keine eigene Liefer-Infrastruktur bräuchte – ohne dass es der Kundschaft auffiele; über ein eigenes Edeka Now ließe sich auch die Abhängigkeit von einem einzigen Partner umgehen (was man aus der Pleite mit Foodpanda gelernt haben könnte) und gäbe einem potenziellen Rivalen wie Amazon (anders als z.B. Tegut) keinen unnötigen Einblick in die Kaufgewohnheiten seiner Kundschaft.

Informationsvorsprung von Rewe

Vor allem aber könnten selbstständige Kaufleute davon profitieren, wenn sie Edeka Now in ihrem Markt ebenfalls aufschalten; mit Picnic, das sich auf am nächsten Tag gelieferte Wocheneinkäufe für Familien fokussiert, käme man sich auch nicht in die Quere.

Und, mindestens ebenso wichtig: Edeka würde den Informationsvorsprung von Rewe aufholen, das auf ganz unterschiedliche Arten seine Fühler in den Quick Commerce ausgestreckt hat – nicht nur via Wolt Market und Flink. Sondern neuerdings auch, indem man österreichische Kund:innen in ausgewählten Penny-Filialen und Bipa-Drogerien über die App des Lieferanbieters Foodora (ehemals Mjam) einkaufen lässt.

Edeka Now könnte der perfekte Hybrid sein, um Erfahrungen in einem Marktsegment zu sammeln, das in Hamburg bislang komplett vernachlässigt wurde.

Was sich gar nicht unbedingt negativ auswirken muss: In Sachen E-Food war Edeka schon immer late to the party. Und mal abgesehen von dem kostspieligen Bringmeister-Intermezzo: Im Falle Picnic könnte sich das Abwarten ausgezahlt haben. Die Herrschaften in der Zentrale wissen aber auch, dass man irgendwann auf jeder Fete mal auftauchen muss. Weil sonst auf der Tanzfläche nämlich kein Platz mehr ist.

Danke an Daniel I. für den Foodora-Hinweis!

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