Das plant Wolt für die schnelle Lebensmittel-Lieferung in Deutschland

Das plant Wolt für die schnelle Lebensmittel-Lieferung in Deutschland

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Bassel Soukar, Head of Retail bei Wolt Deutschland, erklärt im Supermarktblog, wie sich der Einkauf von Lebensmitteln für das Unternehmen zum Frequenzbringer entwickelt – und wie man das Wolt-Market-Konzept für den Neustart in Deutschland anpasst, um mehr Kund:innen zu überzeugen.

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Wenn’s nach den allermeisten Expert:innen geht, die jüngst von deutschen Medien als Zukunftsorakel bemüht wurden, ist der Quick-Commerce-Trend nach dem Europa-Rückzug von Getir und Gorillas schon wieder so gut wie vorbei (siehe Supermarktblog). Also: sofern man ignorieren möchte, was sich bei den Anbietern in Grün, Orange und Blau derzeit alles tut.

Bassel Soukar, Head of Retail bei Wolt Deutschland, das seit 2002 zu Doordash gehört und sich nach eigenen Auskünften als „Alleslieferant“ positionieren möchte, sagt:

„In Deutschland wird die Debatte sehr negativ geführt, wenn es heißt: ‚Quick Commerce wird niemals profitabel sein!‘ Das greift, glaube ich, zu kurz, weil es die Frage ignoriert: Was wollen die Kund:innen? Und genau da setzen wir mit unserer Plattform an.“

Auch auf Wolt können Nutzer:innen Lebensmittel bestellen, um schnell ihren Kühlschrank aufzufüllen, ohne dafür in den Supermarkt gehen zu müssen. Anders als die Dienste, die sich ausschließlich auf die Lieferung aus eigenen Darkstores konzentrieren (bzw. konzentriert haben), gibt es in der Wolt-App – je nach Standort – aber eine Vielzahl von Anbietern, die man sich dafür aussuchen kann.

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Viele Anbieter in einer App

Flink ist mit seinem Angebot dort ebenso präsent wie lokale Spätis und Kioske, (Feinkost-)Händler, aber auch Supermärkte einzelner selbstständiger Edeka- bzw. nah-&-gut-Kaufleute (in Hamburg, Berlin, Ingolstadt), die die Umsätze in diesem Segment nicht der Konkurrenz überlassen wollen.

Wolt-Fahrer:innen holen die Bestellungen bei den Partnern ab und bringen sie zu den Nutzer:innen nachhause. Der Vorteil: Das Unternehmen kann dafür seine bestehende Logistik in über 50 deutschen Städten nutzen.

Bassel Soukar, Head of Retail bei Wolt Deutschland; Foto: Wolt

„Wir sehen den Kund:innenenbedarf und die Nachfrage jeden Tag steigen: Kund:innen kaufen bei Wolt Lebensmittel ein und kommen deswegen auch neu auf die Plattform“,

sagt Soukar. Mit einer versprochenen Lieferzeit von rund 35 Minuten verorte man sich zwar selbst nicht nicht in diesem Segment, aber der Quick Commerce als solches „hat auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung“, ist er überzeugt.

Oder, anders gesagt: Aus Sicht von Plattformanbietern wie Wolt gibt es durchaus ein Kund:innenklientel, das bereit ist, geringe Aufschläge auf Lebensmittel zu zahlen, wenn die dafür innerhalb kurzer Zeit geliefert werden.

„TikTok Trending“ neben „Obst & Gemüse“

Für Plattformbetreiber sind diese Nutzer:innen auch deshalb interessant, weil sie die App meist regelmäßiger nutzen als solche, die ausschließlich Restaurantessen darüber bestellen. Soukar:

„In der Supermarkt-Kategorie registrieren wir eine hohe Kund:innenbindung. Viele probieren mehrere Anbieter aus. Dazu ist das Lebensmittelgeschäft ein sehr guter Frequenzbringer, die Kund:innen kommen öfter wieder.“

Inzwischen gibt es bei Wolt (ähnlich wie bei den Wettbewerbern) zahlreiche Online-Supermärkte in der App, die ausschließlich für das Liefergeschäft geöffnet haben: z.B. Händler, die eigentlich als Späti-Zulieferer agieren, aus ihrem Lager heraus aber auch direkt Convenience-Artikel an Kund:innen verkaufen. Manche Shop-Betreiber:innen gliedern zudem virtuelle Zusatzmarken aus, um damit eine spezielle Kund:innengruppe zu erreichen (z.B. ein virtueller „Indian & Srilankan Grocery Store“, der aus einem großen Asia-Shop mitbetrieben werden kann).

Wolt verspricht die Zustellung von Einkäufen in etwa 35 Minuten; Foto: Smb

Dazu kommt, dass manche Händler innerhalb der App stetig neue Spezialkategorien ausprobieren: anlassbezogen wie zum Muttertag oder zur EM; aber auch produktspezifische.

Zusätzlich zu „Obst & Gemüse“, „Salzige Snacks“ und „Tiefkühlwaren“ lassen sich dann etwa auch „American Sweets“ ordern, die durch die Eröffnung von Candy-Shops in großen Städten stark im Trend liegen. Oder Produkte bestellen, die gerade auf TikTok viral gehen („TikTok Trending“). Lust auf Fanta Green Apple Asia, Glico Sinky Biscuits mit Blueberry Cheesecake Filling oder Qdol Pikachu Zitrone Soda? Kein Problem!

Europäische Experimentierfreudigkeit

„Wir helfen unseren Partnern, deren Augenmerk auf neue Kategorien oder spezielle Produkte zu lenken, von denen wir schon wissen, dass sie auf der Plattform gut funktionieren“,

erklärt Soukar, wie sich Wolt mit dem eigenen Category Management fokussiert.

Verpassen die Supermärkte, die sich in Deutschland als Akteure im Sofortliuefergeschäft weiterhin mehrheitlich zurückhalten, da womöglich einen Trend? Soukar äußert sich diplomatisch:

„Es gibt in Deutschland nach unserer Wahrnehmung derzeit eine Kluft zwischen Kund:innenwunsch und Angebot. Wenn man den Markt kennt und seine Entwicklung sieht, sollten auch die Lebensmitteleinzelhändler wissen, dass sie sich bewegen müssen. In Skandinavien oder Osteuropa sind die Unternehmen bislang deutlich experimentierfreudiger – übrigens auch die deutschen mit ihren lokalen Marken.“

In Österreich hat allerdings Wolt-Konkurrent Foodora die beiden Rewe-Marken Penny und Bipa (Drogerieartikel) als Lieferpartner für sich gewinnen können.

Man stehe weiterhin in Verhandlungen mit Partnern aus dem deutschen LEH, heißt es in Berlin. Die müssten sich dafür öffnen, App-Bestellungen in ihren Filialen zu kommissionieren, um sie schnell zur Kundschaft bringen zu lassen. Eine seit 2022 bestehende Wolt-Partnerschaft mit Penny (siehe Supermarktblog) ist – entgegen bisheriger Pläne – noch nicht ausgeweitet worden.

Größeres Sortiment für Wolt Market

App-Kund:innen wollten ihre bestellte Ware vielleicht nicht schon nach zehn oder 15 Minuten haben, aber nach 30 bis 45 Minuten, glaubt Bassel Soukar von Wolt:

„Wir sind davon überzeugt, dass das im urbanen Umfeld in Deutschland bald Standard sein wird.“

Um diesem Standard gerecht zu werden, eröffnet das in Finnland gegründete Unternehmen auch in Deutschland wieder eigene Wolt Markets: Der erste startete im Februar in Berlin-Mitte (siehe Supermarktblog), Nummer zwei kam vor kurzem in Berlin-Neukölln hinzu – weitere dürften wohl folgen.

„Partnerschaften sind für uns von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig wissen wir aus anderen Ländern, dass Wolt Market im Zusammenspiel mit anderen Anbietern sehr gut funktioniert“,

erklärt Soukar im Supermarktblog-Gespräch – und liefert eine Zwischenbilanz.

„Wir haben zwar damit gerechnet, dass die Nachfrage da sein wird, sind dann aber doch wirklich positiv überrascht gewesen, wie gut unsere ersten beiden neuen Stores in Berlin angelaufen sind. Gerade an den Wochenenden und vor Feiertagen war die Nachfrage zuletzt sehr stark.“

Zu kaufen gibt es bei Wolt Market klassische Markenartikel, Eigenmarken von Rewe, frische Backwaren von Kamps und der kleinen französischen Bäckerei Le Brot. Im Gegensatz zum ersten Aufschlag vor zwei Jahren ist das Konzept leicht angepasst worden – mit einem deutlich größeren Sortiment, das derzeit etwa 5.000 Artikel umfasst. Soukar erklärt, warum:

„Mit zusätzlichen Kategorien wie Haushaltsartikeln, Tierbedarf und lokalen Lebensmitteln ist es uns möglich, eine bessere Kund:innenerfahrung zu liefern und höhere Warenkörbe zu erzielen.“

Der erste neue Wolt Market in Berlin-Mitte nahe Checkpoint Charlie; Foto: Smb

Wann kommt „Double Order“ nach Deutschland?

Auch deshalb dürfte eine Übernahme von Standorten, die bisher von Getir oder Gorillas betrieben wurden und nun leerstehen, für Wolt Market unwahrscheinlich sein – denn viele dieser Hubs sind eher klein und deshalb wenig geeignet für die Größenordnung, mit der Wolt derzeit plant.

Die Übernahme früherer Gorillas-Hubs für Wolt Market dürfte unwahrscheinlich sein; Foto: Smb

Auf die Frage, ob Wolt Markets bald auch anderswo in Deutschland eröffnen, mag Soukar noch nicht konkreter eingehen, bestätigt aber:

„Wir schauen uns auch andere Städte außer Berlin für Wolt Market an.“

Richtig interessant wird’s, sobald Wolt seine im Heimatland bereits getestete „Double Order“-Funktion auch für Deutschland freischaltet: Dann sollen Kund:innen nämlich Bestellungen aus zwei Restaurants und/oder Geschäften miteinander kombinieren können, um sie ohne zusätzliche Liefergebühr zu erhalten. Auf diese Weise lässt sich noch ein Eis vom Kiosk zur Pizza aus dem Restaurant bestellen – theoretisch aber auch ein Lebensmitteleinkauf aus den Sortimenten von zwei in der Nähe gelegenen Handelspartnern erledigen.

Wann „Double Order“ nach Deutschland kommen soll, hat Wolt bislang noch nicht kommuniziert.

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1 Kommentar
  • Ich stehe dem ganzen Liefergeschäft nach wie vor skeptisch gegenüber. Da ist mir zu viel der Wunsch der Vater des Gedanken. Die Margen im Einzelhandel sind gering. Im LEH erst recht. Wie will man da auf einen grünen Zweig kommen?! Kommissionieren während des Tagesgeschäft in Supermärkten? Auch nicht immer machbar. Personal muss dafür abgestellt werden, die Warenverfügbarkeit muss gesichert sein. Viele Unwägbarkeiten für eine doch recht überschaubare Anzahl von Kunden.

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